Erfahrungsbericht Herzklappen Operation mit geöffnetem Brustkorb

Wichtige Info vorab:
Nach meiner Erfahrung kann man mit einer künstlichen Herzklappe ein genauso unbeschwertes und freies Leben führen wie mit einer biologischen Klappe.

Abgesehen von der Einnahme von einem Blutgerinnungshemmer (was meiner Erfahrung nach völlig unproblematisch ist), der Endokarditisprophylaxe (vorbeugende medizinische Maßnahmen - man nimmt zum Beispiel lediglich eine Tablette Antibiotika vor einem Besuch beim Zahnarzt - die der Verhinderung einer Herzinnenhautentzündung - Endokarditis dient) und das regelmäßige Messen des INR Wertes (Blutgerinnung) ist alles genauso wie vorher.

 

Ich habe mein 'altes' Leben zu 100% wiederbekommen und betrachte die oben genannten Dinge nicht als Einschränkung, sondern als Geschenk.

Für wen ist dieser Bericht gedacht?

Dieser Erfahrungsbericht meiner Herzklappen Operation mit geöffnetem Brustkorb ist in erster Linie für all die Menschen gedacht, die in Zukunft selbst davon betroffen sind oder dessen Angehörigen eine derartige Operation bevorsteht und sich darüber informieren möchten.

Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass spätestens dann, wenn einem die Ärzte mitteilen, dass es nun soweit ist und die Operation bevorsteht, man sich mehr als tausend Fragen stellt, sich viele Gedanken macht und man verständlicher Weise vielleicht auch Angst hat.

Angst vor der Ungewissheit, was einem erwartet. Wie schlimm werden die Schmerzen sein, wie lebt man mit einer künstlichen Herzklappe, wie laut hört man sie klicken... man kommt vielleicht gar nicht mehr aus dem Grübeln und sich Sorgen machen heraus.

Und genau deswegen möchte ich dir mit meinen Erfahrungen helfen, dir diese Sorgen und vielleicht auch Ängste ein wenig zu ersparen.

 

Du findest hier meine persönlichen und natürlich subjektiven Erfahrungen, welche ich so wahrheitsgemäß und vor allem so sachlich wie möglich beschreiben möchte.

Antworten auf die Fragen, welche mir am häufigsten gestellt werden, findest du weiter unten.

Vor der Operation

Kurz zu meiner Vorgeschichte:
Ich bin 1976 mit einem angeborenen mittelschweren Herzklappenfehler auf die Welt gekommen. Dieser Herzfehler wurde jedoch erst im Jahr 1977 bei einer Untersuchung beim Kinderarzt festgestellt. Es stellte sich heraus, dass ich eine bikuspide  Aortenklappe (nur zwei anstatt drei Taschen) hatte. Das bedeutete, dass ich mich nicht maximal belasten durfte und extrem anstrengende Sportarten meiden sollte. Jährlich musste ich zur Kontrolle, wo unter anderem die Öffnungsfläche der Aorta (bei mir ca. 1,5cm² - ein gesundes Herz hat ca. 2,5cm²) gemessen wurde. Durch diese Verengung entstand zudem eine Turbulenz im Blut, welches die Aorta Ascendens (der Bereich direkt hinter der Aortenklappe) übermäßig belastet hat und sich diese dadurch immer weiter ausgedehnt hat.

Bis zu meinem 42. Lebensjahr ging das immer so weiter, die Werte waren stabil und ich war durch regelmäßiges Mountainbikefahren fit und gut belastbar. Bei den Belastungs-EKGs hatte ich Werte zwischen 225 und 275 Watt. Dann war ich der Meinung die Kontrolluntersuchen (aufgrund von Dummheit!) für drei Jahre auszusetzen. Die Rechnung kam prompt. Als ich mich im Alter von 45 Jahren wieder im Herzzentrum in Bad Oeynhausen vorstellte, wurde mir mitgeteilt, dass ich ab sofort jegliche körperliche Belastung unterlassen sollte und das nach Rücksprache mit den ärztlichen Kollegen eine Operation in Kürze bevorstehe.

Wie du dir vielleicht denken kannst, war ich erstmal ziemlich fertig und dann kamen die Sorgen und Fragen.

Kurze Zeit später bekam ich einen Termin für die Operation und wurde sonntags im HDZ in Bad Oeynhausen aufgenommen. Am Abend beim letzten Ultraschall vor der OP stellte man fest, dass die Öffnungsfläche meiner Aortenklappe nicht mehr zur Ermitteln sei (definitiv unter 1cm²!), und dass eine von den beiden Taschen sich aufgrund von Verkalkung so gut wie gar nicht mehr bewegt. Hinzu kam, dass meine Aorta Ascendens weit über den Bereich ausgedehnt war, welcher noch okay gewesen wäre.

Um es deutlich zu sagen, ich hatte eine Scheiß Angst!

Der Tag der Operation

Um die Intensität der Schmerzen nachvollziehbar erläutern zu können, gebe ich diese auf einer Skala von 1-10 wieder, so wurde es auch im Herzzentrum gehandhabt.

1 = kein Schmerz - 10 = unerträglicher Schmerz

In der Nacht von Sonntag auf Montag habe ich mäßig geschlafen und war bereits wach, bevor die Krankenpfleger auf mein Zimmer gekommen sind, das war um kurz vor 07:00 Uhr. Ich hatte im Vorfeld darum gebeten, dass ich nicht bei Bewusstsein in den Operationssaal gefahren werden möchte und dieser Bitte ist man auch nachgekommen. Ich war zwar noch nicht narkotisiert, aber man hatte mir offenbar ein Medikament gegeben, welches meine Wahrnehmung zum Glück stark eingeschränkt hat. Unten angekommen wurde ich dann narkotisiert.

Um ca. 15:00 Uhr (also nach acht Stunden) wurde ich auf der Intensivstation dann wieder ins Bewusstsein geholt, welches durch ständiges Nachfragen geschah, was in etwa so war:
"Herr Schormann, können Sie uns hören? Herr Schormann, haben Sie Schmerzen? Herr Schormann..."

Es hat einen Moment gedauert, bis ich verstanden habe, was da los war. Die Frage nach den Schmerzen konnte ich erst einmal gar nicht beantworten, da ich

mich quasi selbst auf Schmerzen erst einmal prüfen musste, schließlich war ich noch extrem benommen. Als ich auf die Frage nach den Schmerzen antworten wollte, stellte ich fest, dass ich gar nicht sprechen konnte, weil noch irgendwas in meinem Hals steckte. Dann wollte ich auf meinen Hals zeigen, weil ich Halsschmerzen gespürt habe und stellte fest, dass ich meine Hände nicht bewegen konnte, weil sie ans Bett gefesselt waren. Nachdem man mich losgebunden und ich auf meinen Hals gezeigt habe, wurde der Beatmungsschlauch aus meinem Hals entfernt. Die Halsschmerzen waren so bei einer 3-4 (siehe Erläuterung zur Skala weiter oben) und resultierten einfach aus meinem extrem trockenen Mund.

Ansonsten hatte ich keine nennenswerten weiteren Schmerzen, was den Ärzten sehr wichtig war. Ich bekam etwas zu Wasser zu trinken, sollte aber nur kleine Schlucke und sehr wenig trinken, allerdings war mein Durst so stark, dass ich immer wieder trinken wollte, was nach kurzer Zeit dazu geführt hat, dass ich das Wasser wieder erbrochen habe.

Wie gesagt, hatte ich keine nennenswerten Schmerzen, war aber noch ziemlich benommen und erschöpft. Nach etwa 1 - 1,5 Stunden habe ich noch kurz mit meiner Freundin telefonieren können und war einigermaßen klar im Kopf.

Durch die Medikamente und all die Ereignisse habe ich den Rest des Tages viel geschlafen bzw. gedöst.

Die Tage auf der Intensivstation danach

Insgesamt war ich fünf Tage auf der Intensivstation und sollte diese eigentlich erst verlassen, nachdem die Drainagen (ich hatte insgesamt drei Stück), welche in der Bauchdecke eingenäht wurden, entfernt waren. Da bei mir auch am Freitag immer noch so viel Flüssigkeit aus den Drainagen austrat, wurde ich mitsamt den Drainagen auf die normale Station verlegt. Während meines Aufenthalts auf der Intensivstation habe ich nur am Donnerstag das Bett für einen kurzen Gang über den Flur einmal verlassen, wozu man mich auch etwas überreden musste, weil ich einfach sehr schlapp war und neben den Infusionssänder ja auch die 'Absauganlage' für meine Drainagen mitgeführt werden mussten.

Nennenswerte Schmerzen hatte ich in dieser Zeit keine und abgesehen, von meiner Schlappheit ging es mir soweit recht gut.

Zurück auf der normalen Station

Am Freitag kam ich dann zurück auf die normale Station, blieb aber noch inklusive den ganzen Sonntag im Bett liegen, da erst am Sonntagabend die Drainagen unter Sedierung entfernt wurden. Am Montag war es dann soweit, ich durfte mit Begleitung aufstehen. Also erstmal aufs Bett gesetzt und die Beine etwas bewegt, dann mit Unterstützung aufgestanden und ab ins Bad, sich endlich wieder einigermaßen selbst mit dem Waschlappen waschen zu können. Ab dem Tag habe ich mich dann wieder regelmäßig in Form von kleinen 'Spaziergängen' auf dem Flur der Station bewegt und bin viel herumgelaufen. Die Zugänge (jeweils einer in der Armbeuge und einer am Hals) wurden nach und nach entfernt und es ging mir von Tag zu Tag besser. Auch hier hatte ich keine nennenswerten Schmerzen. Am Freitag, also nach 13 Tagen Krankenhausaufenthalt wurde ich wieder entlassen und kam nach Hause. Ich hätte eine Reha beantragen können, was ich aber nicht wollte, da ich keine Lust darauf hatte, mich während der Corona Zeit in einer Rehaklinik einschließen zu lassen.

Nach 13 Tagen wieder daheim

Am Freitag wurde ich dann entlassen. Da ich eine künstliche Herzklappe bekommen habe und mein INR Wert (Gerinnungswert des Blutes) nun von mir selbst durch entsprechende INR Messungen und der jeweilis erforderlichen Dosierung durch die Einnahme von Coumadin (Wirkstoff Warfarin) gesteuert wird, war auch das in Ordnung. Vor der Heimfahrt hatte ich etwas Angst. Schließlich war ich im HDZ ja 'geschützt', aber im Auto zu sitzen und ca. 30km nach Hause gefahren zu werden, mit der Gewissheit, dass das Brustbein schließlich noch gebrochen und 'nur' verdrahtet ist, fühlt sich das nicht so gut an, wenn man darüber nachdenkt, was geschieht, wenn es unter Umständen zu einer Vollbremsung kommt oder ähnliches. Die Sorgen waren - wie so oft - unbegründet und ich bin mitte November heile Zuhause angekommen. In den ersten Tagen habe ich noch das Schmerzmittel Ibuprofen genommen, welches ich aber nach einigen Tagen komplett absetzen konnte. Dass ich keine Reha gemacht habe, habe ich nie bereut. Ich denke, dass wenn man Zuhause Unterstützung hat und vorher schon einigermaßen fit war, ist es ohne Reha problemlos. Arbeitsunfähig war ich dann noch etwa 2,5 Monate, was mir persönlich sehr wichtig war. Schließlich wollte ich meinem Körper die Möglichkeit geben, sich in Ruhe von der Operation zu erholen. Ich habe in meinem Bekanntenkreis übrigens Menschen, die das nicht so genau genommen haben und vermutlich dadurch große Probleme bei der Genesung hatten.

Häufig gestellte Fragen:

 

Hört man die künstliche Herzklappe und wie laut ist diese etwa?

Ja, eine künstliche Herzklappe verursacht in der Regel ein typsiches Klick-Geräusch, welches zum Teil auch als ein dumpfes 'Pock, Pock' hörbar ist. Dieses Geräusch kann aufgrund der wirklich geringen Lautstärke häufig nicht von anderen Personen wahrgenommen werden, es sei denn, man befindet sich in einer wirklich stillen Umgebung. Im Bett ist das Geräusch recht gut hörbar und angeblich gibt es Menschen, die das als unangenehm emfpinden. Daher mein Rat an dich: Freu dich darauf, den jedes einzelne Klicken der Klappe ermöglicht dein Leben. Letztlich ist es nur eine Einstellungssache wie du darauf reagierst, und als Coach und als glücklicher Mensch mit einer künstlichen Herzklappe kann ich empfehlen, das Klicken lieben zu lernen, denn ohne das, würdest du diese Zeilen hier vermutlich nicht mehr lesen.

 

Wie lange kann man nach der OP nicht auf der Seite schlafen?

Diese Frage hat mich selbst sehr beschäftigt, da ich ein reiner Seitenschläfer bin.

Genau kann ich dir das nicht natürlich beantworten, da Schmerz und Gegebenheiten in diesem Zusammenhang immer individuell sind. Ich habe mich relativ schnell damit abgefunden, dass ich vorerst nur auf dem Rücken liegen kann und so schlafen muss, weil der Schmerz im Brustkorb beim Drehen auf die Seite mich eindrucksvoll daran gehindert hat. Ich glaube nach etwa vier bis fünf Wochen konnte ich so langsam wieder ohne nennenswerte Schmerzen auf der Seite liegen und schlafen.

 

Wird man wieder völlig schmerzfrei?

Ja, ich bin es zumindest geworden und habe überhaupt keinerlei Beschwerden im Brustkorb oder Oberkörper. Das Einzige, was ab und zu ist, dass wenn ich lange auf der Seite liege und den Kopf mit dem Arm stütze (zum Beispiel beim Lesen auf der Couch oder im Bett), spüre ich ein leichtes Ziehen im Bereich vom Brustbein.

 

Wie ist das mit dem INR Wert messen?

Wenn man sich erst einmal daran gewöhnt hat, ist es wirklich kinderleicht und stellt überhaupt keine Einschränkung der Lebensqualität dar. Ich messe den INR Wert nur noch einmal die Woche und passe meine Dosierung dem gemessenen INR Wert an. Mein Soll-INR Wert liegt zwischen 1,8-2,3 INR. Glücklicherweise benötigt man bei einer künstlichen Aortenklappe einen nicht so hohen INR Wert, weil dort sehr viel Blut durchfließt und es aufgrund dessen nicht so schnell zu einer Gerinnung kommen kann.

Zur Dokumentation kann ich dir die App INR Tagebuch sehr empfehlen. Dort kannst du deine INR Werte dokumentieren und einen Dosisplan erstellen. 

Mit dem Messgerät, welches du erhalten wirst, ist das überhapt kein Problem, du benötigst nur einen etwas größeren Tropfen Blut und streifst diesen dann auf dem Teststreifen ab. Kurz danach zeigt dir das Messgerät deinen INR Wert an. Mein INR Wert und meine Dosis unterliegt nur sehr minimalen Schwankungen und ist - völlig unabhängig von dem was ich esse - sehr stabil.

 

Welchen Einfluss haben Lebensmittel und Vitamin K?

Meiner Erfahrung nach nur einen extrem geringen Einfluss, welcher sich bei mir offenbar überhaupt nicht in einer Schwankung des INR Wertes darstellt. Zu Beginn habe ich mir Sorgen gemacht, wie sich der Wert verhält, wenn ich zum Beispiel viel Spinat (reich an Vitamin K) esse, doch nach mittlerweile vier Jahren kann ich dir sagen, dass ich essen und trinken kann, was ich will und was mir schmeckt und das keinen ersichtlichen Einfluss auf den INR Wert bei mir hat. Auf Alkohol verzichte ich schon seit Jahren, nicht wegen der eventuellen Auswirkung auf die Blutgerinnung, sondern weil ich überhaupt keinen SInn darin sehe Nervengift zu trinken.

 

Was kann ich tun, damit es so einfach wie möglich wird?

 

Sehr viel!

  • Gesund ernähren (kein Junkfood, kein Nikotin, kein Alkohol)
  • Auf das Gewicht achten und Übergewicht vermeiden
  • Regelmäßige Bewegung (Sport nach Rücksprache mit Ärzten)
  • Stress und unnötige Belastungen vermeiden
  • Ein positives Mindset (Geisteshaltung) entwickeln
  • Auf deinen Körper und deine Gesundheit achten, Emotionen und Gefühle achtsam wahrnehmen und diesen Raum geben

 

Du hast noch Fragen?

Du kannst dich bei weiteren Fragen gerne an mich wenden. Ich werde deine Fragen so gut wie möglich beantworten.

Schreib mir über mein Kontakt Formular.

Weitere häufig gestellte Fragen werde ich nach und nach hier einpflegen.

 

Sollte dir eine derartige Operation bevorstehen, wünsche ich dir von ganzem Herzen alles Gute und denke immer daran, dass du alleine durch deine Einstellung und dein Handeln einen großen Einfluss auf die Entwicklung und dein gesamtes Leben hast!

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© Marc Schormann